Tidenuhr von Aug. Schatz & Söhne
 Home Nach oben

 


Eine besondere Uhr 

Ein Bericht zu einem seltenen Exemplar Schiffsuhr: Eine Tidenuhr von Schatz!

Jetzt fragt sich wohl (fast) jeder Leser, der südlich vom Weißwurscht-Äquator wohnt, was ist eine Tidenuhr? Und: Kann ich die hier auch gebrauchen? Antwort: Eine Tidenuhr ist eine ganz normale Uhr mit einem Zusatz. Auf dem Ziffernblatt sind - bei dieser Uhr - vier Nordsee-Häfen verzeichnet und für jeden Hafen sind dann die Wasserstände (Tide) angegeben. Diese Uhr ist also mit ihrer Anzeige nur für die Nordsee geeignet, Helgoland, Cuxhaven, Bremerhaven und Hamburg. Und wozu? Nun, ein Kapitän wird seinen Kahn sehr ungern auf Grund setzen. Und dazu muss er wissen, wie hoch das Wasser geradesteht, wenn er den Hafen anlaufen will. Ganz ehrlich: In der heutigen Zeit ist so eine Uhr eher eine Spielerei für Freizeitskipper, denn eine Notwendigkeit für die Seefahrt. Zumal: Jeder Skipper, der beruflich aus See unterwegs ist, kennt die jeweilige Tide aus dem FF.
Zur Tide: Der auf der Welt höchste Unterschied zwischen max. Tide und Niedrigwasser wird in Kanada (ist ja eh kana da) gemessen. Zitat WIKIPEDIA: "Der wahrscheinlich größte Tidenhub der Erde findet sich an der Bay of Fundy in Kanada, zwischen den kanadischen Provinzen New Brunswick und Nova Scotia. Dort drängt sich die Tide des Atlantischen Ozeans in eine Bucht und bewirkt einen Tidenhub von bis zu 15 Metern; einen ähnlich hohen Wert erreicht der Südwesten der Ungava Bay in der kanadischen Arktis. Der maximale Wert für den Pazifischen Ozean wird im Penschinabusen des Ochotskischen Meeres mit knapp 13 Metern erreicht." Zitat Ende.
Auf dem Main nutzt diese Uhr also nur zum Anzeigen der Zeit. Hoch- und Niedrigwasser des Mains wird sie nie richtig anzeigen können! (Das war nur zur Erklärung für Bayern)

An der Deutschen Nordseeküste liegt der Tidenhub normal so um die 3 - 5 Meter.
Nächste Frage: Und warum braucht (See)man da eine Uhr? Nun, der Tidenhub hängt mit dem Umlauf des Mondes zusammen, die Gezeiten eben. Und eine Flut folgt der nächsten in genau 12:25 Stunden, also verschiebt sich die Flutwelle von Tag zu Tag um 25 Minuten.
Genug des feuchten Erzählens.

Was war nun mit dieser Uhr? Warum musste die auf meinen Tisch?
Na ja. Erstens: Mein Sprachfehler (und Neugier - hatte ich doch noch nie so eine Uhr auf dem Tisch). Zur Uhr folgendes: Finden kann man die Uhr im Schatz-Katalog "Schatz 1881" unter der Nummer 58 4012 Tidentime. Verbaut ist eigentlich ein normales Quarzwerk von Aug. Schatz & Söhne, wie es z.B. unter der Bezeichnung "Elexacta" 1976 entwickelt wurde und in vielen anderen Uhren verbaut ist. Bei diesem Werk waren aber Modifikationen am Zeigerwerk notwendig, zusätzliche 3 Räder, um das vor Eilen des Tidenzeigers zu bewerkstelligen. Vorhanden sind 4 Zeiger: Mittelsekunde, Stunde, Minute und ebenfalls auf einem Rohr die Tidenanzeige.

Quarzwerk! Da klingeln eigentlich schon alle Alarmglocken bei mir. Batterie ausgelaufen, Uhr in den Keller verbannt, ohne die leere Batterie raus zu nehmen. Genau das war hier auch der Fall. nach Jahren des Laugenfraßes erbarmte sich dann doch Jemand und holte das "Schätzlein" wieder an Licht. Ein bisschen wurde der Schmadder abgekratzt und als die Uhr trotzdem nicht wollte, der Lötkolben aus Großvaters Bastelkiste geholt. Denn Löten bei Elektronik ist immer gut, gelle! Die Uhr wollte aber nicht! Also mit einem Schraubenzieher nicht etwas die Schrauben, die zu sehen waren, gelöst, sondern versucht, das Uhrengetriebe mit Gewalt aus der Werkschale zu Hebeln. Das ist anscheinend auch gelungen, ABER - man ahnt es schon - die Uhr will nicht! Also überlegt, was machen. Verkaufen. Gute Idee. In der Bucht. Wo denn auch sonst!? Aber bitte dazu schreiben "ohne Garantie und keine Rücknahme". So geht das ja in den meisten Fällen. Und auch hier über zwei Ecken landete das Stück dann bei mir.

Die Bilder sprechen Bände! Die Schaltung habe ich entsorgt, denn da ging nichts mehr. Ersatz habe ich noch im Fundus. Übel sah auch die Magnetspule aus: Der Grobschmied mit Großvaters 250 Watt-Lötkolben hat die Drähte der Spule nicht zusammen bekommen und wen, hätte ja nichts genutzt. Schaltung im A....! Das Problem für mich war dann die Abgerissene Befestigung der Mechanik in der Werkschale. Und natürlich Sekundenkleber, damit beim Verkauf nichts klappert! Die Werkschale mit den Zusätzlichen Rädern gibt es natürlich nicht mehr. Also guter Rat teuer. Die Idee war dann, von vorne 4 Löcher zu Bohren und das neue Getriebe samt neuer Elektronik mit Hilfe von Schrauben zu befestigen. Die Blechstreifen des Stepper Motors mussten dafür die Gewinde aufnehmen, Löcher waren für die Befestigung schon drin und M2 Schneiden kein Problem. Gedacht, getan und montiert.

Und sie bewegt sich wieder! Jetzt kann man bei mir anrufen und die Zeit erfragen, wann auf Helgoland gerade max. Tide ist.

 

Nach der Demontage, alles in einzelnen Teilen

Da hat auch der 250-Watt Lötkolben nichts ausgerichtet! Für 0,05 mm-Draht braucht man einen Draht zum bearbeiten.

Wo rohe Kräfte sinlos walten... Abgerissen und dann mit Sekundenkleber alles Verbappt.

Und dazu noch die Schrauben verloren. Da wurde dann ein Sammelsurium aus der Kramkiste rein gewürkt.

Die durch Batterielauge zerstörte Platine der Elektronik. Da ging wirklich nichts mehr!

Und natürlich auch hinten. Grünspan, so weit das Auge reicht. Zum Glück hatte ich diese Teile noch im Fundus.

Hier gut zu sehen, die vier Nordsee-Häfen auf dem Ziffernblatt.

Platine und Antrieb neu.

So sieht das Werk jetzt aus.

Nur im ausgebautem Zustand zu sehen: Meine Lösung für die abgerissenen Halterungen des Werkes. 4 Messingschrauben M2

Und so zeigt sie wieder zuverlässig das Wasser unterm Kiel, zumindest in der Nordsee

 

 

 

Zurück | Home | Weiter

Hier können Sie mich erreichen!

 

Stand: 02.09.18

(c) Rolf-Dieter Reichert 2010