Diese hier ist eine ganz besondere Uhr
Eine "Amerikanerin" mit Namen Tiffany NeverWind hat sich
auf meinen Tisch verirrt!
Entwickelt
hat diese Uhrenart mit elektrischem Pendelantrieb der Tüftler Georg Steel
Tiffany. Er wurde in Hinsdale. Illinois USA am 06. Mai 1872 geboren.
Offensichtlich
war er mit der damaligen neuesten Neuheit,
Elektrizität und Elektromagnetismus, vertraut. Seine Interessen mussten auch
Uhren umfassen, denn am
30. November 1901 reichte er in Zusammenarbeit mit seinem Vetter, James Van
Inwagen aus Chicago, Illinois, einen Antrag auf ein Patent für eine
elektrische Uhr ein. Dieser Antrag erhielt die Nummer 84287. Am 12. Dezember
1903 beschlossen George und sein Partner, ihren Patentantrag in zwei
separate Teile aufzuteilen. Diese waren für eine "Elektrische Uhr" und ein
"Torsionspendel für Uhren". Am 8. März 1904 wurden die Patente im
US-Patentjournal veröffentlicht und somit erhielten George und sein Partner
Patentschutz für ihre Erfindungen. US-Patent Nr. 754 397 war für die
"Elektrische Uhr" und US-Patent Nr. 754 398 für das "Torsionspendel für
Uhren".
Die
Uhr, die ich hier in den Händen hatte, ist das Modell 2000. Sie kostete im
Erscheinungsjahr 1904 $42 und 1918 $32.50 ein stolzer Preis für die
damalige Zeit! Zum Beispiel kostete damals das FORD Modell T $800.
Die Uhr ist
also bereits über 100 Jahre alt. Dementsprechend waren auch die Abnutzungs-
und "Vergebliche-Reparatur" Spuren zu sehen. Kurz geschrieben: Sie weigerte
sich aus diversen Gründen, die Zeit zu zählen, wie es ihr Konstrukteur
eigentlich vorgesehen hat. Und da gab es dann meinen Sprachfehler: ich kann
einfach nicht NEIN sagen, wenn so eine Seltenheit den Weg auf meinen Tisch
findet. Also dann!
Als Erstes
mal Unterlagen gesucht und dank Internet auch gefunden. Eine kleine Story
nebenbei: der Georg Steel Tiffany war mit der Firma Tiffany in New-York
familiär verbunden. aber trotzdem waren sich die Verwandten nicht grün und
so musste Georg Steel Tiffany seine Firma nach einem Rechtstreit umbenennen.
Tja, wo es böse Nachbarn gibt... Aber das nur so nebenbei.
Aber jetzt
das "Eingemachte". wie schon geschrieben, handelt es sich hier um eine mit
Batterien - 3 Zellen á 1,5 Volt sind vorgegeben - betriebene Uhr. Das
Prinzip ist folgendes: Durch einen Elektromagneten (zwei in Reihe
geschaltete Spulen mit Eisenkern) ziehen bei Kontaktschluss einen Anker an,
der über ein Gestänge eine Klinke anhebt in die der Silberkontakt hinein
fällt und gehalten wird. Dadurch wird dem an einer Pendelfeder - hier
NIVAROX 0,098 mm - hängendem Pendel aus Messing (zwei Kugeln mit ca. 400gr)
ein Impuls mit gegeben, der die Verluste durch Luft, etc. ausgleicht. Das
Prinzip kennt man von den mechanischen Drehpendeluhren, hier auch
beschrieben.
Das Pendel
dreht sich also weiter und irgendwann fällt der Kontaktstift aus seiner
Halterung heraus und der Kontaktarm (Klinke) wird durch eine kleine Feder
nach unten gedrückt. Das Pendel kehrt jetzt um und wenn es in den Bereich
der Klinke kommt, kann durch den Silberkontakt, welcher übrigens direkt an
der Pendelfeder befestigt ist - dazu komme ich noch - wieder der Kontakt
herstellt werden und der Vorgang geht von vorne los.
Gleichzeitig
mit dem Anziehen der Magnete wird auch ein Hebel in Bewegung gesetzt,
welcher beim Abfallen mit einer Schaltklinke das Uhrwerk um einen Zahn
weiter schaltet. Das ist das "Zeitnormal", durch das Pendel auch sehr genau
(wenn man es richtig gemacht hat).
Das Pendel
macht 10 Beats pro Minute, geschaltet wird immer beim Rückschwung, also 5
Mal pro Minute. Das wird, wie bei mechanischen Drehpendeluhren, durch die
Pendelfeder vorgegeben. Bei dieser Uhr - ich musste, da Werte fehlten -,
Probieren. Nach 4 Pendelfedern hatte ich dann endlich die richtigen Maße:
NIVAROX 0,098 mm bei einer Länge von 150 mm. So sah auch die Lage des
Pendelgewichtes ganz gut aus und passte zu den Proportionen. Natürlich kann
man den Gang noch verändern. Dazu gibt es einen trickreichen Mechanismus in
der Pendelgewichtaufhängung. Das ist ein Messingteil, außen Feingewinde mit
einem Schlitz zur Führung einer Kupferklemme, in der die Pendelfeder geführt
wird. Durch verdrehen der Mutter außen wird diese Klemme je nach
Drehrichtung nach oben (Uhr schneller, da Federweg kürzer) oder eben
langsamer, wenn nach unten der Federweg länger wird, reguliert. Das habe ich
so auch noch nicht gesehen.
Ebenso
einfach wie Praktisch war die Befestigung der Feder im unteren Bereich
gelöst. Ein Messingstift, 2 mm Durchmesser und 7 mm lang ist zu 2/3
geschlitzt. In diesem Schlitz steckt die Feder und der Stift wird in einer
konischen Bohrung mit dem Aufnahmehaken des Gewichtes fest geklemmt. Hält
bombig! Ich durfte es mindestens 20 Mal Probieren! Die obere Aufhängung der
Feder war dagegen einfach wie bei einer Drehpendeluhr.
Als kritisch
hat sich dann die Position des Kontaktstiftes an der Pendelfeder heraus
gestellt. etwas zu hoch und der Kontakt prellt. Etas zu tief und der Kontakt
wird nicht richtig schalten. Auch hier Probieren geht über studieren, oder
so. Dumm ist nur, dass bei jeder Änderung oder neuem Versuch die Pendelfeder
ausgebaut werden muss. Eine hässliche Fummelei, die auch mit Übung nicht
besser wird. Und man muss sehr vorsichtig hantieren. Denn jeder Knick in der
Pendelfeder führt unweigerlich zu Problemen bei der Regulierung des Ganges.
Na ja. Bin ja Rentner und habe Zeit, ODER?
So, nach der
Anpassung der neuen Feder war eigentlich der Rest nur noch Beiwerk, könnte
man meinen. War es aber nicht. Gleich bei der ersten Inspektion ist mir
aufgefallen, dass das Schaltrad irgendwie seltsam aussieht. Und richtig, es
hat Karies. Nun, bekanntlich kann man abfeilen, aber nicht Drannfeilen. Hier
blieb nur, ein neues Rad muss her. Alle Kontakte durch kontaktiert. Im
Waldviertel gab es einen Uhrmacher, der hätte so ein Rad nach Muster
anfertigen können, war aber schon im verdienten Ruhestand. Und so ging es
weiter und weiter. Fast hätte ich aufgegeben! Nach gut 17 Monaten aber dann
die Erlösung: Ein befreundeter Uhrmacher hatte genau so ein Rad aus einem
Schlachtwerk. Wir wurden uns Handelseinig und ich baute das neue alte Rad
ein. Die Justage des Eingriffes war dann eigentlich schon Nebensache,
dauerte nur ebbes.
Und jetzt
noch etwas zur Elektrik der Uhr. Wie schon geschrieben, 4,5 Volt aus drei
D20 Batterien. Da muss man sich schon etwas vorsehen, damit man nicht mit
der Pendelfeder aus versehen an die Batterie kommt. Denn die Feder löst sich
dann fast schlagartig in einem hellen Lichtbogen auf und das war es dann mit
allen Mühen der Anpassung. Ist mir auch passiert. Und noch etwas hat schon
der Konstrukteur gewusst: Bei dieser Spannung und den Magneten gibt es einen
ganz beträchtlichen Funken bei öffnen des Kontaktes. Und das hält auch
Silber nicht gut aus. Die Kontaktflächen verbrennnen und nix schaltet mehr.
Die Lösung: Ein Bifilar gewickelter Drahtwiderstand parallel zu den
Magnetwicklungen. Dieser Widerstand - hier hat ein wahrhaftiger Laie
zugeschlagen - war einfach mit einer dicken Lötstelle kurz geschlossen und
dafür waren die beiden Magnetspulen als "wir sind einfach so da" Spulen
geschaltet. Na ja, kleines Problemchen.
So, nun also
nach gut und gerne 1,3 Jahren die Uhr wieder zurück, kurz vor Ostern. Schon
beim Abholen und verladen ins Postauto dachte ich mir so im Stillen "ob das
mal gut geht...". Es ging nicht gut. Pendelfeder nach 30 Minuten gerissen,
Glasdom Scherben. Also alles zurück auf Los. Pendelfeder ersetzt (siehe
oben) neuen Glasdom beschafft. Testlauf dann zufriedenstellend, Uhr
funktioniert wieder:
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Das Email-Zifferblat mit Herstellungs-Datum 06. März 1904 |
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Die Aufhängung der Pendelfeder |
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Mechanik der Fortschaltung |
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Sehr einfach und deswegen schwierig zu Justieren |
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Einfaches Werk und der Drahtwiderstand |
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Noch original, aber unbrauchbar |
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Zahn der Zeit mit Kneifzange?! |
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Was das wohl werden sollte |
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So sieht es hinter dem Zifferblatt aus |
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Das Pendel pendelt. 400 gr Messing |
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Der bifilar gewickelte Drahtwiderstand |
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Das Fortschaltrad unter den Spulen |
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Zeigerwerk und "Gewicht" des Schaltarmes |
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Die teile der trickreichen Aufhängung |
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Der Kontakt an der Pendelfeder |
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Der Mechanismus zur Gangregulierung |
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Die Schwachstelle der Uhr |
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Die Aufhängung; Führungsrohr mit Gewinde und Verstellmutter, Haken zur Pendelaufhängung, Stifft zur Aufnahme der Pendelfeder und Abschlusskappe |
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Pendel hat noch nicht die richtige Position |
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Nach der ersten Reparatur |
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Stand:
28.05.25
(c) Rolf-Dieter Reichert 2018
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