Guilmet Mysteriös
 Home Nach oben

 


Auftragsarbeit

Eine seltene Uhr:
Mysteriös von Guilmet, Paris, ca. 1880 - 1890

 

Heute möchte ich eine besondere Uhr vorstellen: Eine „Mysteriös“ der Firma Guilmet, Paris. Hergestellt wohl um 1870 – 80, Serien-Nummer 9289. 

Der Besitzer der Uhr fragte per Mail an, ob ich eine „Drehpendeluhr“ bei der der Pendelfaden gerissen ist, wieder instand setzen könnte.
Nun, ich staunte nicht schlecht, als dieses Schmuckstück aus dem Karton purzelte. 

Als erstes ging es an die „Schadenaufnahme“: Pendelaufhängung praktisch nicht mehr vorhanden, nur noch Fasern. Dann tropfte eine Flüssigkeit aus den Gehäuse-hälften und lies nichts Gutes ahnen. Richtig, die Innereien waren wohl konserviert in Öl und zwar so heftig, dass es überall heraus lief.
Das Federhaus erwies sich als schier unerschöpfliche Öl-Quelle. 

Nun zu den Einzelheiten.
Es handelt sich bei diesem Exemplar um eine Kegelpendeluhr. Das Gestell, in dem das Kugelgehäuse und das Pendel hängen, ist aus vergoldeter Bronze, wie mir mein Uhrmacher versicherte. Das Pendel selbst ist eine Hohlkugel (25 mm Durchmesser), mit Bleischrot gefüllt und durch ein Gewinde in der Höhe verstellbar zur Gangregulierung. Das gesamte Pendel ist 170 mm lang. Die Pendelaufhängung erfolgt im Zenit des Gestelles und ist mit Seidenfäden realisiert.  

Das Uhrengehäuse ist eine Blechkugel, sehr dunkelblau lackiert (ich bin mir fast sicher, dass das nicht Original ist) und hat einen Durchmesser von 90 mm. Die Kugel besteht aus zwei Hälften. In der Vorderen Hälfte ist das Uhrwerk befestigt und die Römischen Stundenziffern, aus Messing, angebracht. Die Zeiger sind in der Form des Gehäuses gebogen und sind ebenfalls aus Messing.
Die drei Füße haben Stellschrauben zum Ausrichten der Uhr. Die Nabe des Pendels muss genau über der Mitnehmernabe stehen, sonst ist der Gang sehr ungenau. 

Nun zu den „Innereien“.
Wie schon gesagt, Öl und nochmals Öl. Alle Messingteile waren sehr angelaufen, hier würde es also auch viel Arbeit geben.
Dann das Werk aus dem Gehäuse genommen und ein paar Bilder gemacht.
Zwei Reparaturmarken sind zu sehen: Die eine mit Signatur vom 08. Mai 1931 und die Zweite nur als leichte Zahl 1992, mit der Lupe sichtbar. Beide übrigens auf der Ziffernblattseite. 

Auffällig bei dieser Uhr ist, dass es keine Hemmung im herkömmlichen Sinn gibt. Das Werk in Bewegung dreht sich immer.
Hauptteil zum Antrieb ist der letzte Trieb des Werkes mit dem Stirnrad, das den Trieb zum Mitnehmer antreibt. Dieses Getriebe ist etwas aufwendiger gebaut: Zwei Kloben halten von Außen zwei Schrauben, mit denen die vertikale Lage der Stirnradwelle eingestellt werden kann.
Die Mitnehmerwelle muss durch Unterlegen des unteren Lagerklobens senkrecht zum Pendel ausgerichtet werden, damit Mitnehmer und Pendelzapfen nicht zu sehr Reiben und der Angriffspunkt immer in gleicher Höhe liegt. 

Nun zu den eigentlichen Problemen. Ich glaube, die Bilder sprechen Bände. Nach gründlicher Reinigung dann die Bestandsaufnahme. Was man fühlen (Fingernageltest) kann, war der hintere Zapfen der Minutenwelle. Der war so beschädigt, dass ein Rollieren zu viel Materialabtrag gebracht hätte, mit der entsprechenden Schwächung des Durchmessers. Daher wurde der Zapfen entfernt und ein neuer ca. 3 mm tief eingebohrt. Der Tampon-stahl hat zum Original ein Übermaß von 2/10 mm (1 mm zu 0,8 mm). Damit konnte das Lager nach entsprechendem Aufreiben und Glätten erhalten werden.
Aber 3 weitere Lager waren in einem sehr schlechten Zustand und mussten ersetzt werden. Hier auch die Bilder. Zum Glück waren aber die Zapfen hier, bis auf einen Belag, der leicht entfernt werden konnte, nicht beschädigt.

Nach der Montage und Probe auf Leichtlauf dann die „Ölung“ mit Koch 3 – 5 für die Lager, für das Stirnrad, Stirnradwellenlager und die Mitnehmerwellenlager Öl Nr. 2.
Natürlich auch die Feder und das Federhaus gereinigt und die Feder neu gefettet. 

Im Zenit des Kugelgehäuses, da wo die Nabe des Mitnehmers herausragt, ist eine Messingkappe angebracht. Die 4 Gewinde (0,8 mm) waren so ausgerissen, dass die Schrauben nicht mehr fasten. Es gab nur die Möglichkeit, hier ein Gewinde M 1,2 zu Schneiden. Das sind jetzt die einzigen metrischen Gewinde bei dieser Uhr. Leider ist das dann nicht mehr Original, aber es ging nicht anders. Diese Kappe und ihre Befestigung ist wichtig, da sie die beiden Kugelhälften zusammen hält. 

Nun kam die Pendelaufhängung an die Reihe. Als Erstes Reinigung der Teile. Ich hatte zwei Seidenfäden zur Auswahl: No. 0 mit 0,3 mm und No. 2 mit 0,45 mm. Ich entschied mich für No. 0. Nach einigem Probieren wurden die Enden der Fäden (3 Stück) in die Aufnahme für den Haken am Pendel eingeklebt. Dann die Fäden durch einen Messingring (Abstandhalter??) geführt und am oberen Befestigungsring fest geklemmt. Mit viel Geduld dann den Genauen und gleichmäßigen Abstand hergestellt, so dass das Pendel mit seinem Zapfen genau auf Höhe des Mitnehmers läuft.
Dann das Pendel zerlegt und auch gleich festgestellt, was die Bleikügelchen, die sich in der Verpackung fanden, für einen Zweck gehabt haben: Sie waren das Gewicht des Pendel. Hier half mir dann (ich hatte ja die Verpackung schon entsorgt) Bleischrot No. 1 aus dem Anglerbedarf.

Nach dem Polieren der Einzelteile des Pendel und auffüllen mit dem Bleischrot dann der erste Test. Erstaunlich gut. Der Gang lies sich gut Regeln und auch die Drehung des Pendels war sauber, wenn nicht gerade ein Luftzug mir ein Schnippchen spielte. Gegen Zugluft ist diese Art von Uhren wohl sehr, sehr empfindlich und leider habe ich keinen so großen Glasdom (Höhe mind. 44 cm!). Also immer die Luft anhalten und auch sehr langsam an der Uhr vorbei gehen. Schmarren: SO empfindlich ist sie nun doch nicht, aber Zugluft kann sie ganz schön aus dem Tritt bringen. 

Der letzte Testlauf brachte eine Ganggenauigkeit von ca. 3 Min (plus) in 24 Stunden (genauer geht die Ablesung leider nicht, da die Teilung nur grobe 5 Minuten zulässt).
Die Uhr hat übrigens ein 8-Tage-Werk. 

So, dass war ein wirkliches Highlight für mich, diese Uhr wieder zum Zählen der Zeit zu bekommen.

 

Es handelt sich hier übrigens NICHT um ein Replikat, wie sie vor einigen Jahren in den Niederlanden hergestellt wurden.

 

 

 

Zurück | Home | Weiter

Hier können Sie mich erreichen!

 

Stand: 05.09.18

(c) Rolf-Dieter Reichert 2018