Alte Jahresuhr mit
dem Marken "Gustav Becker"
Ca. 1920 - 1930
Nach diversen
Hinweisen kann als Herstellungsdatum 1920 - 30 festgehalten werden.
Der
Hersteller dieser Uhr war die mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit die Firma Junghans. Ob der Herstellungsort noch Freiburg
in Schlesien war, kann sicher nicht festgestellt werden. Die
Geschichte der Firma Gustav Becker / Freiburg – Schlesien, ist verzwickt und
kompliziert. Und auch hat die Fa. Gustav Becker bis 1899 nie eine Jahresuhr
hergestellt. Jahresuhren mit der Firmenmarke Gustav Becker tauchen erst ab
1900 auf, hergestellt in der VFU AG – „Vereinigte Freiburger Uhrenfabriken
inklusive ehemals Gustav Becker AG“, so der vollständige Name dieser Firma,
die sich aus 6 Uhrenherstellern zusammensetzte. Hier wurde der gute Name der
Fa Gustav Becker weiter als Markenzeichen benutzt und mit Erfolg vermarktet.
Die Firmenleitung hatten einige Zeit zwei Herren aus der Familie Becker
inne. Aber die finanzielle Situation besserte sich nicht, im Gegenteil. So
hat der Haupt-Aktionär, die Breslauer Bank, die Firma „H A U
Hamburg-Amerikanische Uhrenfabrik“ mit in die Firmenleitung bestimmt. Nur
wenig später schlossen die Firmen HAU und Junghans / Schramberg ein
"Joint-Venture" die Leitung der VFU AG ging auf Junghans über. Durch
die erforderlichen Einsparungen, die tiefe Einschnitte bei der VFU AG
bedeuteten, erwarb sich Junghans bei den Schlesiern einen denkbar
schlechten Ruf. Jetzt wurden einige Uhren in Freiburg / Schlesien mit dem
Firmenlogo von Junghans versehen. Die Bevölkerung boykottierte diese
Produkte mit dem Junghans-Emblem!, Daher wurde bald wieder das berühmte GB
mit der „Medaille de Or“ geprägt.
Was war nun mit dieser Uhr?
Nun, sie lief nicht! Das war mir aber sofort nach dem Auspacken klar. Der
Zustand war beklagenswert. Als Erstes wie immer, eine grobe
Schadensaufnahme: Alle Messingteile stark oxydiert. Teilweise Kratzer auf
dem Boden. Werk total verölt, daher die Lager und Zapfen fast alle fest. Die
Hemmung hemmungslos verstellt.
Das Louvre-Gehäuse ist
teilweise vergoldet. Man kann das am Besten an der Erhaltung des Glanzes
erkennen. Messing wird stumpf und dunkel, der Goldglanz bleibt auch unter
Schmutz und Fett erhalten. Diese Gehäuse waren übrigens in fast allen Fällen
ein Zukauf. Nur wenige Uhrenfabriken hatten eine angeschlossene
Gehäusefabrikation, Ebenso die Ziffernblätter, Zeiger und so weiter. In
vielen Fällen haben sich die Käufer dieser nicht gerade günstigen Uhren beim
Juwelier oder Uhrenhandel um das Werk herum die Uhr zusammen gestellt.
Die zerlegte Uhr wurde im
US-Bad gereinigt und danach poliert. Das Gehäuse wurde dann wieder
zusammengesetzt. Beim Werk mussten die Räder, Triebe und Zapfen akribisch
gereinigt werden. Dann erst konnten die Lager auf Verschleiß geprüft werden.
Auch die Zugfeder wurde mit einem Federwinder aus ihrem Haus genommen. Und
die Ernüchterung folgte auf den Fuß: Diese feder kann nicht 400 Tage Kraft
für das Werk liefern. Also nach den Daten aus dem Terwilliger eine Neue
gesucht und in Amerika gefunden. Auch die Neue mit Waschbenzin im US-Bad
gereinigt und anschließend in synthetischem Motor-Öl (5W40) gebadet. Vor dem
Einwinden natürlich das überschüssige Öl abwischen, sonst ist auch gleich
der Federwinder in Öl gebadet. Das Werk wurde nun wieder montiert. Ein
erster Probelauf ohne Hemmung war befriedigend: Nichts knarrte oder klemmte
gar. Jetzt auch den Anker eingesetzt.
Die Pendelfeder war natürlich
auch zu ersetzen. In dieser Uhr war noch eine Bronze-Feder vorhanden. Ich
verbaue nach Möglichkeit Federn aus HOROLOVAR-Stahl. Die sparen viel Arbeit,
wenn die Maße passen. NIVAROX-Federn gehen natürlich auch, aber die müssen
immer angepasst werden. NIVAROX-Federn sind bei gleichen Dicke wie die
HOROLOVAR um ca. 30% breiter und damit viel stärker. Die Uhr geht so
schnell, dass sie mit der Reguliermöglichkeit des Pendel nicht zu Regulieren
ist. NIVAROX muss nach meiner Erfahrung immer angepasst werden. Wenn man
weiß, wie das geht, eigentlich kein Problem.
Der Ankerstab machte mir
Sorgen! Der wurde arg verbogen (erschließt sich mir nicht, was der
"Verbieger" damit erreichen wollte). Erfolg dieser Prozedur war, dass der
Ankerstab so nicht in den Ausschnitt der Pendelfederhalterung passte. Was
macht der Verbieger? Na. Abschneiden, was sonst. Nachdenken wäre besser,
weil erfolgreicher gewesen. Ich hatte glück. Der Ankerstab war noch nicht zu
kurz für die Gabel, die Position passte noch.
Zurück zur Pendelfeder: Die
Aufhängung oben war eigentlich die Originale, wie man sie aus diesen Uhren
kennt. Aber Jemand hatte die Halterung umgebaut auf "modern". Ein Rückbau
war nicht mehr möglich, da einige Teile fehlten. Daher also diesen "Rückbau"
so gelassen, wie er ja sicherlich Jahrzehnte funktionier hat. Nun, die BEATS
stimmten schon genau, ging es dem Abfall an den "Kragen". Der Umbau der
Halterung machte das nicht einfacher, im Gegenteil: Es war eine fiese
Fummelei, bis der Abfall stimmte.
Eine Zeigerreibung hatte diese
Uhr natürlich auch(mal). Irgendwer hat aber gemeint, Zeigerreibung? Da gibt
es nur die bei Taschenuhren! Also das Viertelrohr als Laterne ausgeführt.
Konnte natürlich nicht funktionieren. Eine Federscheibe aus meinem Fundus
und noch ein paar Teile machten die Zeigerreibung wieder funktionsfähig!
Das Drehpendel - es ist in der
Bibel der Jahresuhren - dem Terwilliger - unter "Gustav Becker ca. 1908" zu
finden mit der Bemerkung "...the only Becker 4-Ball Pendulum". Ich füge noch
hinzu: "not well designend". Warum? Nun, die Regulierung des Durchmessers
(damit wird der Gang justiert) ist durch die Hülse am Schaft zu machen. Aber
ein M4-Gewinde lässt eine feinfühlige Justage nicht zu und den Gang genau
hin zu bekommen ist fast so wie ein 5er im Lotto. Wirklich nicht gut
gemacht. Auch das pendel wurde natürlich zerlegt und Gereinigt und
anschließend poliert. Es kann sich wieder sehen lassen!
Insgesamt zu dieser Uhr: Obwohl
es zum Hersteller mehr Fragen als Antworten gibt, eine schöne Uhr. Jetzt
"entschleunigt" sie wieder Jeden Zuschauer, der ihrem golden Pendel
verfällt! Jahresuhren haben Suchtpotential.
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Uhr mit teilvergoldetem Louvre-Gehäuse
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Die hintere Platine
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Die Marken Gustav Becker als Qualitäts-Zeichen
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Drehpendel GB aus 1908
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Goldglanz! Vorsicht beim Reinigen ist angesagt.
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Enenfalls vergoldet
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Der originale obere Block
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Viertelrohr als Laterne! Der Reparateur hat diese Uhr wohl mit einer Taschenuhr verwechselt!
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Der Ankerstab, ein krummr Hund und noch zu kurz abgeschnitten! Pfusch hoch 3
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Federhaus mit zerdengeltem Gehäusedeckel. Wo rohe Kräfte sinnlos walten...
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...und die Feder verformt und viel zu klein.
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Links die alte Feder, rechts die Neue. Kaum ein Unterschied, gelle?
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Gehäuseteile, ungereinigt.
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Das Viertelrohr zur Laterne umgearbeitet. SO kann das nicht gehen!
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Das Pendel. Montiert und fertig poliert.
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Die originale Halterung für die Pendelfeder. Hier umgebaut.
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Ich habe fertig!
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Stand:
10.09.18
(c) Rolf-Dieter Reichert 2018
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