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Meine Uhren
Hier meine
Aug. Schatz &
Söhne
1000-Tage
Heute möchte ich mein
"gefallenes Schätzchen" vorstellen. Eine 1000-Tage-Uhr der Firma Aug. Schatz
& Söhne, hergestellt im April 1961.
Diese Uhr hat ein
mechanisches 1000-Tage-Werk. Sie läuft also in der Regel 3 Jahre und braucht
erst wieder in 1000 Tagen aufgezogen werden.
Solche Uhren wurden nach meinem Wissen nur von der Firma August Schatz &
Söhne ab den 1950 er Jahren in einer kleinen Auflage hergestellt,
hauptsächlich für den Export nach USA.
Meine
Uhr hatte einen massiven Schaden: Die Federhausachse war verbogen und das
Sperrrad des Federhauses unter die Sperrklinke gerutscht. Das waren die
Folgen eines Sturzes vom Tisch des Vorbesitzers.
Sie
(die Uhr) stand erst mal eine Zeit in der "Warteschleife", bis ich mich
entschlossen habe, sie mal näher unter die Brille zu nehmen.
Die Feder war schon entspannt, wahrscheinlich durch das Rausrutschen der
Sperrklinke. Das muss schon mal recht heftig gekracht haben, wenn diese
riesen Feder mit einem Schlag entspannt wird. Da hätte ich meine Finger
(oder auch andere Körperteile) nicht in der Nähe gehabt haben mögen (was ne
Wortwahl, gelle!?). Zur Anschauung im Fotoalbum unten ein Bild von einem
"normalen" Federhaus zu dem einer 1000-Tage-Uhr.
Der
Schlag wird dann auch den Federanker verbogen haben. Ich habe versucht,
diesen zu richten, was mit Bruch des Selben endete. Also einen Neuen
bestellt und nach 2 Wochen bekommen. Einfach Super, meine Quelle. Danke,
Chris! Zum Glück war das Sperrrad und die Sperrklinke noch in Ordnung.
Nach
den üblichen Arbeiten (Zerlegen, Reinigen, Lager und Zapfen Prüfen,
Zusammenbau, Ölen) dann der Teil der Justagen.
Bei der JUF 1902 habe ich mich ja länger über die Pendelfeder ausgelassen,
brauche ich ja nicht wiederholen. Also heute einige Worte zu den notwendigen
Justagen.
Eine
"normale" Großuhr hat 3 Punkte, die den Gang durch Justagen beeinflussen:
Anker mit Paletten - Eingriff - Pendel. Bei einer Jahresuhr sind das 6
Punkte, die justiert werden müssen: Anker mit Paletten - Eingriff -
Angriffspunkt der Gabel - Tick-Tack (beat) - Pendelfedersträrke -
Drehpendel. Alle diese Punkte treffen den Gang der Uhr direkt ins Herz:
entweder sie pendelt aus (Paletten falsch, Eingriff und/oder beat) oder sie
ist zu schnell (Pendelfeder, Pendel), oder zu langsam (ebenfalls Pendelfeder
oder Pendel) oder das Pendel dreht nicht seine ca. 270° (Einstellung der
Gabel von der oberen Montierung). Sie sehen schon, recht komplex, dass
Ganze.
Dazu
kommt noch, dass jede Manipulation an diesen Einstellungen eine lange
Wartezeit nach sich zieht, bis die Uhr IHREN Gang wieder gefunden hat. Mit
Zeitwaage Arbeiten geht hier auch nicht, da die Bewegungen so langsam sind,
dass jede Zeitwaage den Tod der Uhr anzeigen würde. Es gibt zwar als
Hilfsmittel ein Mikrofon und Verstärker, der es erlaubt, das extrem leise
Tick Tack hörbarer zu machen, aber auch da müssen Augen und Ohren zusammen
arbeiten, um feststellen zu können, ob der Eingriff gleichmäßig ist. Nicht
ganz einfach, das Ganze.
Aber von Vorn
Nach der Montage des Werkes mit dem erforderlichen Ölgaben (nur Uhrenöl 3 -
4 und weiße Vaseline für die Lager des Federhauses und das Sperrrad),
übrigens kommt bei mir auch auf das Ankerrad und die Paletten etwas Öl, wird
die Feder mit 4 - 5 Halbdrehungen leicht aufgezogen.
Die Einstellung des Eingriffs ist zu kontrollieren: Grundsätzlich arbeiten
Jahresuhren mit einem tieferen Eingriff als die Hemmungen normaler Uhren. In
unserer Zeit vorkommende Hemmungen bei Jahresuhren sind die Grahamhemmung
mit festen und beweglichen Paletten, sowie die Stiftankerhemmung. Es ist
darauf zu achten, dass der Eingriff immer sicher erfolgt und der Anker nicht
"Galoppieren" kann. Dann ist der Eingriff zu seicht und muss nachgestellt
werden, es kann hier auch zu Klemmungen kommen. Ist der Eingriff zu tief,
reicht der Weg nicht aus, um die Hebung zu vollenden, Auspendeln ist die
Folge. In beiden Fällen sollte nur der Abstand der Wellen Anker und Ankerrad
verändert werden. Ich habe es mir übrigens abgewöhnt, die Ankerpaletten oder
die Stifte zu verändern. Nur überprüfen, ob diese Teile gut poliert sind und
ggf. Mit dem kleinen Polierholz Beläge entfernen. Das gilt auch für das
Ankerrad und die Hebeflächen. Eine gute Politur ist fast der ganze Gang der
Uhr. Die Paletten werden nur neu justiert, wenn es ersichtlich ist, dass ein
Vorreparateur hier geschraubt hat. Jetzt wird der Minutenzeiger auf z.B.
eine Minutenposition gestellt und der Anker über den Ankerstift per Hand so
lange hin- und her bewegt, bis der Zeiger genau 5 Minuten weiter ist.
Natürlich habe ich die Bewegungen mitgezählt. Jetzt teile ich die Anzahl der
Bewegungen durch 5 und ich habe die Periode (Drehung von Totpunkt zu
Totpunkt) des Pendel. Mit diesen Werten kann ich die richtige Pendelfeder
finden.
Wie?
Als Erstes die Länger der Feder festlegen. Die Feder sollte zwischen der
oberen Montierung und der Unteren so lang sein, dass das Pendel ca. 2 - 3 mm
über dem Pendelfeststeller schwebt. Auch muss evtl. die Position des
Gegenlagers beachtet werden. Es ist wichtig, dass das Pendel nirgends eine
Berührung hat und vollkommen frei schwebt. Hier gibt es jetzt die
Möglichkeit, die Uhr so aus zu richten, dass das der Fall ist: mit den drei
(oder 4 bei Laternenuhren) Stellschrauben im Boden. Ist das gemacht, kommt
der nächste Schritt:
Feststellen,
ob die Pendelfeder richtig ist.
Dazu die Pendelfeder montieren und das Pendel einhängen (nur die untere und
obere Montierung ist notwendig). Jetzt das Pendel ca. eine 3/4 Umdrehung
entweder nach rechts oder links bewegen und los lassen. Stoppuhr zur Hand
nehmen und ab dem ersten Totpunkt (da, wo das Pendel beginnt die
Drehrichtung zu Ändern) auf Los drücken. So lange zählen, bis die Anzahl der
errechneten Perioden erreicht ist. Zeigt meine Stoppuhr genau 1 Minute,
stimmt die Pendelfeder und das Pendel, ein Glücksfall.
Jetzt
muss man (frau) wissen, dass über eine Verstellung des Pendels über die
ganze Distanz max. +-4 Sekunden pro Minute Änderung erreicht werden kann.
Liegt der gemessene Wert zu weit über dieser Einstellungs-Toleranz, muss die
Pendelfeder ersetzt werden. Hier gilt - ist die Uhr zu schnell, eine
schwächere Feder und umgekehrt. Als Anhaltspunkt dient hier: +- 0,00025 mm in
der Dicke der Pendelfeder sind max. wieder 4 Sekunden pro Minute.
So,
das zur Pendelfeder. Wir haben jetzt die Richtige ausgemessen und befestigen
die Gabel. Nach dem Einbau der Feder ein Blick mit der Lupe auf die Gabel
und den Ankerstab: Der Ankerstab darf nirgends in der Gabel auf ihrem
gesamten Weg von rechts nach links klemmen, sie sollte aber auch nicht zu
viel Platz haben (Kraftverlust). Öl ist hier übrigens Fehl am Platze.
Ankerstab (Stahl) und Gabel (meist Messing) müssen an ihren
Berührungsflächen aber sehr gut poliert sein. Habe ich das eingestellt gilt
es, die Drehung des Pendel auf ca. 270° zu bringen. Dazu das Pendel in die
Ruheposition bringen und dann langsam nach links bewegen. Bei etwas weniger
als 1/2 Drehung sollte der Anker seinen höchsten oder tiefsten Punkt
erreicht haben. Dann sitzt die Gabel fürs Erste richtig.
Jetzt
wird der "Beat", das Tick Tack der Hemmung beobachtet. Es ist so wie bei
einem normalen Pendel: Ruhe, Hebung, Fall - Ruhe, Hebung, Fall. Dieses muss
absolut gleichmäßig sein, sonst ist Auspendeln das Ergebnis. Ist dieser
Ablauf ungleichmäßig - und das wird er immer sein, wenn ich etwas an der
Pendelfeder oder der Aufhängung manipuliert habe, muss an der oberen
Montierung justiert werden. Um wenige 1/100 ° den Lagerbock verstellen, bis
der Ablauf gleichmäßig ist. Eine echte Nervenprobe, da es sich hier wirklich
um einige 1/100 ° handelt, die großen Einfluss auf diesen Ablauf haben. Hier
sieht man auch gleich, was z.B. Knicke oder Verbiegungen an der Pendelfeder
anrichten.
So,
stimmt das jetzt, die Uhr einfach mal laufen lassen. Sie sollte nicht mehr
auspendeln.
Das Pendel sollte jetzt so um die 270° drehen. Etwas mehr macht nichts,
weniger ist nicht gut. Eingestellt wird diese Drehung durch eine Veränderung
der Gabel: Gabel näher an die obere Montierung - größere Drehung und
umgekehrt. Aber Vorsicht - keine Knicke oder Verbiegungen in die Pendelfeder
machen, sonst fängt die Justiererei wieder von Vorne an, wenn nicht die
Pendelfeder selbst erneuert werden muss. Fingerspitzengefühl eines
Uhrmachers ist gefragt
Jetzt
den Gang beobachten und wie in der Ausbildung die Ganggenauigkeit notieren
und ggf. Nachstellen. Und immer daran denken: Jede Manipulation am Pendel
braucht Stunden, bis die Uhr "IHREN" Gang wieder gefunden hat.
Mein
gefallenes Schätzchen hat ihn wieder!
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Der gebrochene und der neue Federanker |
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Die Zwischenplatine für das Werk |
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Minutenwelle, Wechselrad und Stundenrohr |
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Ein krummer Hund, die alte Pendelfeder |
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Alt (oben) und Neu (unten) |
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Das Pendel muss genau in der Mitte schweben |
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Komplett mit Transportsicherung |
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Unter der Haube, das gefallene Schätzchen |
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offenes Federhaus mit gebrochenem Anker |
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Federhaus mit neuem Anker |
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Links das normale Federhaus einer 400-Tage-Uhr |
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Rechts das Federhaus der 1000-Tage-Uhr |
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Stand:
10.09.18
(c) Rolf-Dieter Reichert 2018
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