Blackbox

10.08.23

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Also, jeder, der Angst vor Magnetismus hat, sollte sich jetzt mal etwas weiter vom Bildschirm entfernen.

 

Denn es geht jetzt bei mir darum, alte Stabmagneten, Gebogen oder auch gerade, wieder zum Leben zu erwecken. Der Hintergrund: jeder kennt die Magnetpendel-Uhren. Ob Bulle, Brillie, Hatot, Junghans oder Kundo, alle diese Uhren haben einen Stabmagneten.

Das  ist der Stabmagnet, der nur noch ca. 70 Gramm Haltekraft hatte.

 

Diese Magnete sind in der Regel Nickel-Kobalt-Legierungen. Neodyms kannte man vor 100 oder so Jahren noch nicht. Leider verlieren diese Legierungen im Laufe der Jahre ihre magnetischen Eigenschaften und werden im Extremfall taub. Ganz besonders davon betroffen sind die U-förmigen Magnete der Bulle-Clocketten, bei denen ist der magnetische Nordpol in der Mitte. Diese Magnete "fressen" sich wörtlich genommen selbst auf. Die Stabmagneten nicht, aber die dauernde Beanspruchung durch das entgegengesetzte Feld in der Spule lässt das Feld im permanent-Magneten immer schwächer und schwächer werden, bis die Uhr unregulierbar langsam wird.

 

Nun habe ich etwas experimentiert. Durch drüber streichen mit einem anderen starken Magneten kann man das Magnetfeld in so einem Stabmagneten wieder auffrischen. Allerdings hält das nicht lange vor, denn diese Auffrischung betreffen nur die Moleküle an der Oberfläche und reicht nicht bis zum Kern des Stabmagneten. Nun habe ich vor Jahren mal im NAWCC etwas gelesen. Dort hat sich ein Member eben auch diese Gedanken gemacht und ein Gerät gebaut, mit dem es möglich war, solche Magnete wieder zu regenerieren und zwar für einen längeren Zeitraum.

 

In einer stillen Stunde (es gab wirklich nichts im Fernsehen und der Kater hat geschlafen) reifte in mir der Gedanke, eben ein solches Gerät zu bauen. Gedacht, getan!

 

 

Die Teile trudeln so langsam ein.

 

Im Prinzip wird ein starker Stromstoß durch eine Luftspule mit wenigen Windungen dicken Kupferdrahtes geschickt. Das entstehende Magnetfeld zwingt die Moleküle im Material wieder in eine Richtung. Das ist wesentlich wirksamer, als z.B. Versuche mit solchen Spulen und Autobatterien. Da wird die Spule sehr schnell sehr warm und wenn man nicht höllisch aufpasst, verbrennt der ganze Kram. Also brandgefährlich und noch dazu fast unwirksam, da das Magnetfeld sich nur langsam aufbauen kann und dann durch die Erwärmung der Spule und der Zuleitungen die zugeführte Energie zum größten Teil in Wärme umgewandelt wird. Die Lösung ist ein Stromstoß in der Größe von ca. 500 Ampere bei 30 Volt. Mit diesem Wummmms in der Wicklung wird nichts warm und Kontakte verbrennen auch nicht, wenn ein Leistungsthyristor als Schalter eingesetzt wird (danke @bonanza).

 

 

Bohren, Feilen, Löten ist angesagt!

 

Wo bekommt man also diesen Strom her? Die Antwort ist ganz einfach: 6 Kondensatoren mit einer Kapazität von je 100.000 µF bei einer Betriebsspannung von 30 Volt. Solche Kondensatoren sind einfach zu bekommen und kosten noch nicht einmal die Welt.

 

Sieht schon ganz gut aus, die Black-Box.

 

Das drum herum war dann auch teurer. Stahlblech-Gehäuse, 30mm² Kupferschiene zum Verbinden der Kondensatoren, ein Stück Schweißleitung, Schalter, Taster, Lämpchen, Netzteile und schon wurde eine Idee in die Tat umgesetzt.

 

Verdrahtung. Netzanschluss natürlich abgesichert und Zweipolig abschaltbar.

 

Die Schaltung ist relativ simpel: 6 Kondensatoren in Parallelschaltung, Leistungsthyristor als Schalter, ein digitales Voltmeter zur Anzeige der Betriebsspannung, ein Drahtwiderstand als Vorwiderstand bei Laden der Kondensatoren und zum Entladen bei Ende der Benutzung und ein bisschen handwerkliches Geschick und schon ging es los. Plan machen, Löcher bohren, Ausschnitt feilen, Kondensatoren befestigen und was eben noch so alles gemacht werden muss.

 

Oben die Kondensatoren, 6 x 100.000 µF, auf dem Kühlblech (braucht er eigentlich nicht, der Dicke zuckt nicht mal beim Schalten) der Leistungsthyristor. Unten die zwei Netzteile, recht 32 Volt, 4 A, regelbar und daneben das Netzteil für das Digital-Voltmeter.

 

Die Spule ist auf einem Alu-Rohr gewickelt. 1 mm Durchmesser, 34 Windungen (die Spule, die jetzt in Gebrauch ist).

 

Frontansicht. Im leuchtenden Gelb die Spule auf einem Alu-Rohr mit 20 mm Durchmesser und 34 Windungen. Rechts daneben Kontrollleuchte für "nicht bereit" und grün "bereit" darunter der Schalter "Laden" und "Entladen" und der "Feuer"-Knopf. Ein-Aus-Schalter mit Betriebslampe, Sicherung und Kabeldurchführung mit Zugentlastung.



Das erste Versuchskaninchen war ein Stabmagnet aus eine Hatot-Hauptuhr, Baujahr der Uhr ca. 1929 (nach der Serien-Nummer der Uhr geschätzt). Als erstes Mal die Uhr zerlegt und den Magneten vom Pendel abgenommen. Mit einer Federzugwaage kann man ganz gut die Zugkraft eines solchen Magneten feststellen:

 

Unten an der Waage ein Stück Weicheisen angebracht, die Waage auf "0" gestellt, und den Magneten an das Eisen gehalten und langsam nach unten gezogen, bis die Magnetverbindung abriss. Bei meinem Magneten waren das (ca. 7 x probiert) ungefähr 75 Gramm. Jetzt den Magneten in die Spule gesteckt, Power, 30 Volt und... Eigentlich dachte ich ja, grüne und gelbe Blitze zu sehen mit violetten Wolken, aber noch nicht einmal ein Wurmloch tat sich auf. Nur das Voltmeter ging auf 1 Volt zurück. Ladestrom AUS und wieder an (anders kann ich bis jetzt den Thyristor nicht löschen) kurz gewartet, bis wieder 30 Volt verfügbar waren, Knopf gedrückt (die Spule wackelte ein bisschen) und diesen Vorgang noch 2 Mal wiederholt. Mit Zweifeln beladen zu meiner Messeinrichtung mit Zug Waage: Es brauchte sage und schreibe 560 Gramm, bis der Magnet von dem Eisen ab lies. Ein voller Erfolg also.

 

Natürlich sind mir noch einige Ideen gekommen: Mit einem Mikroprozessor die ganze Sache etwas automatisieren. Zum Beispiel die Anzahl der Stromstöße vorwählen und immer bei Erreichen der Betriebsspannung (einstellbar) automatisch auslösen, danach automatisch die Kondensatoren Entladen und ggf. das Abspielen des Radetzky-Marsches um den Erfolg zu melden...

 

Gestern habe ich diesen Magneten dann wieder eingebaut und die Uhr zählt wieder die Zeit. Sauberer Ausschlag und die Uhr lässt sich auch prima regulieren.

 

Hier nun mal ein paar Bilder von meiner "Black-Box mit Spule". Viel Spaß!

 

Der "Dicke"

Thyristor der AEG. Schaltleistung max. 1800 A

Kondensator-Batterie

6 x 100.000 µF 60 Volt

Alter Bestand bei mir

Zum Testen mein Netzteil

Der Test war schon mal erfolgreich...

Die Teile kommen so langsam

Das gibt viel Arbeit

19" Einschub in 2mm Stahlblech!

Bald alles da

"Verdrahtet" mit 10² Kupferschienen

Klein ist die Blackbox nicht gerade

Noch Platz für spätere Optionen

Fast alle Löcher sind ausgesägt

Jetzt werden die verschiedenen Komponenten angeschlossen

Gehäuse ist schon zusammen

Zum Testen eine Zugwaage

Einsichten

Vorne. In gelb die Spule

U-Magnet einer BULLE-Cklockette ca. 1932

Diese Magnete haben die Besonderheit, dass der magnetische plus-Pol in der Mitte liegt (liegen soll), Die Enden sind demnach immer der magnetische minus-Pol.

Wo ist der magnetische plus-Pol? Ein Marschkompas hilft

Die beiden Spulen für die U-Magnete

 

Ps.: Meine Arbeiten an dieser ATO-Uhr kann man hier finden: ATO-Hauptuhr.

Haben Sie auch eine Uhr, zu der Sie einen Rat suchen oder eine Reparatur wünschen? Schreiben Sie mir.

 

Aber eine Bitte habe ich:

Stellen Sie mir bitte keine Anfragen, wie viel Ihre Uhr Wert sein könnte!  Ich bin kein Sachverständiger und kein Schätzer für alte Uhren und vor allem kann ich über Uhren, die ich nicht auf meinem Tisch habe, kein Urteil abgeben.


Haben Sie bitte Verständnis dafür..

 

 

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(c) Rolf-Dieter Reichert, Stand: 10.08.23