Freischwinger Schlenker & Kienzle
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Eine alte Wanduhr..

 

Schlenker & Kienzle Freischwinger
mit patentiertem Rechenschlagwerk

 

So, wieder eine Uhr gerettet. Auch wenn ich nur das Werk mit Ziffernblatt und Pendel auf dem Tisch hatte, es machte (fast) Spaß, dieses Werk wieder zum werkeln zu bewegen. 

Aber erst einmal zur Uhr. Hier handelt es sich um einen Freischwinger der Firma Schlenker & Kienzle, so aus dem beginn des 20. Jahrhunderts. Das Gehäuse ist beim Besitzer geblieben, der ist ein Holzwurm und kennt sich mit diesem Werkstoff wesentlich besser aus, als ich es jemals werde.

Das besondere an dieser Uhr ist das Schlagwerk. Im Jahr 1901 hat die Firma Schlenker & Kienzle mit der Nummer D.R.P. 125605 eine Modifikation des Rechenschlagwerkes patentieren lassen. Mit einem zweiten Rechen soll die Abnutzung der Zähne des „normalen“ Rechen – auf den wirkt der Schöpfer – vermindert werden. Nun gut. Jedenfalls bei diesem werk hat es geklappt. Beide Rechen haben nun ohne Beschädigungen ca. 115 Jahre auf dem Buckel und sie funktionieren immer noch so, wie sich das der Erfinder gedacht hat. 

Warum kam denn nun eigentlich das Werk zu mir? Hat mein Sprachfehler wieder zugeschlagen? Oder war es einfach nur Neugier? Oder Interesse am Erhalt eines alten Uhrwerkes? So ganz bin auch ich mir darüber nicht klar geworden. Jedenfalls kam das Werk hier bei mir an, von einem ärgerlichen Postboten, den ich mit einem Pflaster für den seinen rechten Daumen bedienen musste. Das Pendel hatte sich – nach Murphy – mit der unteren spitzen Spitze durch die Verpackung direkt in den Postbotendaumen gebohrt. 

Aber das war ja nicht der Grund. Eigentlich berichtete der Besitzer, dass manches Mal das Schlagwerk sich dem geregelten Schlag verweigerte und mir Krawall bis zum Ablaufen der Feder machte, was es wollte. Er trug daher das Werk zu einer Uhrmacherin um die Ecke und bat um Reparatur des Werkes. Nach einigen Monaten wurde der Besitzer dann unruhig und fragte nach, was denn mit seinem Werk wäre. Nun, nicht gut. Er bekam es als repariert zurück, aber schon beim ersten Aufziehen ging nichts mehr. Der Gang ließ sich nicht regulieren und das Schlagwerk machte auch, was es wollte. Von Schweigen bis Krawall war wieder alles dabei. 

Und da kam dann mein „Sprachfehler“ zum Zuge: Ja, ich könnte mir das Werk ja mal ansehen. Und dann der Schock. Uhrmacherin? Eher ein schlechtes Lehrstück eines Laien. 

Ich fange mal hinten an: Pendelverlängerung so fest in die Ankerstange eingeklemmt, dass ich diese Teile nur mit einer Zange von einander trennen konnte. Die Pendelfeder mit der Pendelfederaufhängung „Vernietet“, heißt den Spalt, in dem die Pendelfeder ein gehangen wird und dort leichtes Spiel haben muss, saß so fest wie vernietet. Spuren eines Hammers waren zu sehen und auch Schraubstockbacken haben sich am Material verewigt. Und die Pendelfeder war viel zu kurz. Der Ankerdrehpunkt lag nicht im oberen Drittel der Feder, sondern um das doppelte darunter. Ich konnte direkt sehen, wie sich die Pendelverlängerung bei jedem Ausschlag des Pendels hob und senkte. So geht es natürlich nicht! Und durch die zu kurze Pendelfeder klemmte dann noch zusätzlich die Pendelverlängerung in der Führung der Ankergabel. Pfusch hoch 3!

Dann durfte ich auch noch feststellen, das man das Werk falsch zusammengesetzt hatte: Die Pfeiler sind normal hinter dem Ziffernblatt geschraubt und auf der Rückseite verstiftet. Hier war das anders herum. 

Nach Demontage und Reinigung konnte ich dann die Bauteile des Werkes näher untersuchen. Zapfen und Lager haben die Jahrzehnte gut überstanden. Aber Die Staffelscheibe! Die ist ja normal mit dem Stundenrohr entweder vernietet oder verschraubt. War hier auch so, aber was mich stutzig machte – es war zwischen Stundenrad und Staffel kein Platz, so dass der Abtaster, der auf die Staffel fallen soll, hin und wieder auf das Stundenrad fiel und dann klemmte. Bei genauer Betrachtung dann folgendes: Zwischen Rad und Staffel muss mal eine Scheibe mit einer Dicke von 1 mm gewesen sein. Nun war da nichts. Die beiden 1,6 mm – Schrauben, die das Ganze zusammen gehalten haben waren, da durch das Fehlen der Scheibe zu lang, einfach abgefeilt worden. Nun ja. Aus dem Fundus eine fast passende Scheibe gesucht und angepasst, Schrauben gesucht, Zusammen gebaut und den Tasthebel gerichtet. Es passt und nun funktioniert das auch wieder. Auch beim frühzeitigen stehen bleiben des Schlagwerkes rutschte der Abtaster ordnungsgemäß über die Schneide der Staffel, ohne das Werk zum Stillstand zu zwingen. 

In den Frustpausen habe ich die Zugfedern aus den Federhäusern genommen, gereinigt und wieder – Auuuua! Die fast doppelt so starke Schlagwerkfeder machte sich trotz Federwinder wegen meiner fettigen Finger selbständig. Zum Glück für meine Finger schon IM Federhaus, aber es reichte für 14 Tage dicke Hand. Ich kann den geneigten Lesern nur raten, bei dieser Arbeit immer Vorsichtig zu sein. Denn wenn diese Feder außerhalb des Hauses losgegangen wäre….. Nicht aus zu denken.

In der "Krankenzeit" wurde dann das Ziffernblatt und das Pendel vom Schmutz befreit und vorsichtig poliert. Jetzt sehen auch diese Teile der Uhr wieder gut aus, meine ich.

Nach dem die Schwellung meiner Hand abgeklungen war, ging es an die Montage. Wie immer ist dem Schlagwerk größere Aufmerksamkeit zu schenken, kommt es doch hier auf die Abstimmung der Stellung einiger Räder an. Aber auch die Konstrukteure haben damals schon mitgedacht. Das Hebesternrad wird auf einer Seite mit einer Brücke auf der Platine gelagert und kann so nach dem Zusammenbau in Eingriff gebracht werden. Dadurch lässt sich die Stellung des Schöpfers und des Stopprades nachträglich sehr gut Einrichten. Der Hebestern ist zudem zügig auf der Welle befestigt, so lässt sich auch der richtige Abstand einstellen.

Die Staffelscheibe kann durch außer Eingriffnahme des Wechselrades – gelagert durch einen Kloben – bestens eingestellt werden. 

Jetzt kam das Werk auf den Galgen und ….. Nach nur geringen Justagen des Pendels läuft die Uhr sehr genau. 

Ich bin ja der Meinung, dass auch mechanische Werke „merken“, wen es Jemand gut mit ihnen meint. Sie danken es mit genauem, gleichmäßigem und langem Gang. Diese Schlenker & Kienzle jedenfalls tut es!

 

Falsch zusammengebaut

Pendel und Ziffernblatt mit Patina

Verhunzte Pendelstange

Die Rückseite des Werkes

Die Marken

Der patentierte Hebel, D.R.P. 125605 veröffentlicht 1901

Schlagwerk

Rechts die starke Feder vom Schlagwerk und links die Gangfeder

Hebel und Staffel

Die reparierte Staffelscheibe

Im Testlauf

Der Patentrechen

Justagen erforlgreich, sie bewegt sich wieder

Rückseite mit Marken

Sauber wie vor 115 Jahren

Auf dem Galgen. Jetzt kann das Werk zurück zum Besitzer!

 

 

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Stand: 10.09.18

(c) Rolf-Dieter Reichert 2018