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Meine Uhren
Diese Uhr habe ich im
Netz gesehen und wusste „will haben“
Eine Philipp Hauck, München, hergestellt um 1907 für
„Andreas Huber K.B. Hofuhrenlieferant
München gegründet 1856“
Diese
Uhr, ein seltenes Exemplar mit ihrem Gehäuse aus Kristallglas und poliertem
Messing. Die Scheiben sind facettiert, vorne und hinten je ein Türchen.
Damit kommt man ohne Verrenkungen an das Pendel und das Werk heran und auch
das Aufziehen 1 mal im Jahr ist kein Problem. Oben und unten je eine Platte
aus grünem Marmor, also schon was Edles!
Ich
bin dann extra nach Stadthagen bei Augsburg gefahren, um diese Uhr ab zu
holen. Denn ein Versand per Wurfpost war mir dann doch zu heikel. Ein Sturz
würde sicher einiges beschädigen, wog das gute Teil doch genau 3,85 kg. Also
lieber am Steuer gesetzt und abgeholt.
Die
Beschreibung des eigentlich recht professionellen Verkäufers war recht
laienhaft. Beschrieben war „eine Standuhr, defekt“. Na ja.
Was
war nun wirklich mit der Uhr? Nun, wie man den Bildern entnehmen kann, war
wohl mal das Scheibenpendel (wiegt ja auch so um die 400 g) aus dem
Uhrenkastl gefallen und zwar genau auf die Aufhängung. Dadurch wurde die
Messing-Schwungmasse eingedrückt und die Gewindestande zur Justage der
Gewichte fast zerbrochen, aber zu diesem Teil später noch etwas.
Und
natürlich war die Pendelfeder gerissen und dazu noch aus Bronze. Das musste
auch neu gemacht werden. Ansonsten waren das Werk und das Gehäuse in einem
erstaunlich guten Zustand. Eine Grundüberholung sollte aber doch gemacht
werden.
Also
das Werk aus dem Gehäuse entnehmen – schon die erste Überraschung – Ph.
Hauck hatte wirklich gute Ideen. Die Lünette (vergoldet) war auf der
Rückseite mit einer Art Bajonettverschluss versehen. Unten eine Schraube
gelöst, das Werk ein Stück nach rechts verdreht und schon hatte ich es
komplett in der Hand. Super Sache.
Jetzt
folgten die schon fast zur Routine gewordenen Abläufe: Zerlegen, Zapfen und
Lager überprüfen, ab ins US-Bad, Spülen, trocknen, auf Lagerspiel untersucht
(wie erwartet war alles Bestens!). Dann die Werkteile und Räder noch mit
MELLERUD Polierpaste bearbeitet und jetzt glänzt alles wieder wie neu.
Schön. In der Zwischenzeit das Federhaus geöffnet und die Feder entnommen.
Festgestellt, dass hier mal etwas gekürzt wurde (Feder war am Endhaken
ausgeglüht und neu ein Loch gemacht worden) und: die Feder war ein Türmchen!
So etwas passiert immer, wenn versucht wird, diese Federn – hier 19 x 0,43 x
1200 mm mit 36 mm Durchmesser – per Hand aus dem Federhaus heraus zu holen
und vor allem wieder rein zu bringen. Das geht nie gut! Ein guter
Großuhren-Federwinder ist hier ein MUSS!
Also beim Händler meines Vertrauens eine neue Feder mit den richtigen Maßen
bestellt. Die war dann nach 2 Tagen schon im Briefkasten und es ging weiter.
Feder ins Haus, Werk zusammengesetzt und frisch geölt.
Jetzt
an das Scheibenpendel. Wie geschrieben, das war mal auf den Kopf gefallen
und hat dabei Schäden erlitten. Die Delle in der Schwungmasse vorsichtig,
damit keine Spuren bleiben, ausgebeult. Dann alle Teile in das US-Bad und
anschließend poliert. Dann die Gewindestande. Das ist ein Teil mit Rechts –
und Linksgewinde, damit sich beim Drehen der Stange beide Gewichte entweder
nach Innen (Uhr schneller) oder nach Außen (Uhr langsamer) bewegen. Also hat
diese Stange auf der einen Seite ein Linksgewinde und auf der anderen ein
Rechtsgewinde. Aber damit nicht genug: es ist bei wirklich alten Uhren auch
kein metrisches Gewinde, sondern eines nach Schweizer Uhren-Norm. Da solche
Gewindeschneider und Bohrer heute nicht (oder fast nicht) mehr zu bekommen
sind, musste ich versuchen, die Gewindestange zu richten. Also die
Biegestellen mit einem Brenner auf Dunkelrotglut warm gemacht und
zurückgebogen. Eine Seite ging gut, die Zweite ging mir zu leicht. Da die
Schadstelle aber zu weit im Gewindegang lag wollte ich hier auch nicht mit
Hartlot dran. Das hätte zu viel Gewinde gekostet und damit die
Regulierbarkeit eingeschränkt. Also, Versuch macht Kluch! Die so gerichtete
Stange eingebaut, erste Stellversuche waren Positiv, also alles wieder
zusammen und mich an dem schönen Scheibenpendel erfreut!
Als
Letztes nun die Pendelfeder. Nach Terwilliger muss eine HOROLOVAR 0.102 mm
verwendet werden. Nun gut, im Fundus befand sich noch sowas. Angepasst und
eingebaut, Abfall justiert und ins Bett gegangen. Am nächsten Morgen
pendelte das Pendel immer noch mit fast 360° - ich habe wohl etwas richtig
richtig gemacht. Ein Blick auf das Zifferblatt belehrte mich eines Besseren:
Die Uhr ging in 12 Stunden ca. 35 Minuten nach! Also, die Feder zu schwach.
Notgedrungen eine Packung neue beim „Roten Hahn“ in GB bestellt und
gewartet. China liefert schneller!!! Nach knapp 2 Wochen waren die
Zollformalitäten (Warenwert 35,- €) abgewickelt und die Federn lagen als
Wurfpost vor der Tür. Neue Feder eingebaut und die Uhr läuft, aber nun etwas
zu schnell. Na, dem kann abgeholfen werden. Feder ausbauen, am oberen Ende
die Blöcke kann man dran lassen zu festhalten, und mit 800er Schleifpapier
so 6 – 8 Züge geschliffen. Untern Block wieder dran, Feder eingebaut und
Test: 0,856 Sekunden für die geforderten 8 Beats. Also das Ganze nochmal und
nochmal. Dann endlich bei mittig eingestellten Gewichten auf der Scheibe
stimmt es (nach Augenmaß): 8 Beats in 0,989 Sekunden. Prima.
Die
Uhr auf ihren angedachten Platz auf eine historischen Wandkonsole gestellt.
Nach 1 Woche ein leichter Vorgang von 4 Minuten 10080 Minuten (das ist eine
Woche). Sehr gut, aber es sollte besser gehen. Also Schlüsselchen zum Drehen
der Gewindestange gegriffen, aufgesteckt, gedre… und Knacks, Gewindestange
gebrochen! Das hatte ich befürchtet. Aber verdrängt.
Also,
das Pendel wieder in die Werkstatt und überlegt. Dabei dann auch gleich das
eigentliche Problem des Bruches festgestellt: Das Linksgewinde im Gewicht
war so beschädigt, dass die Stange klemmte und wo grobe Kräfte sinnlos
walten…
So,
da blieb nun wirklich nur einen Ersatz schaffen. Gewindeschneider und Bohrer
Links / rechts sind natürlich als M3 in meiner Werkstatt vorhanden. Eine
Stahlstange mit 3 mm Durchmesser und ein Messingrohr mit 4 / 3 mm bestellt –
danke Internett – und gewartet.
Nach einigen Tagen dann alles Material auf dem Tisch. Stange auf Länge
geschnitten, Enden Angefasst, mit dem Akkuschrauber als gut regulierbarem
Antrieb die entsprechenden Gewinde geschnitten und anschließend auch bei den
Gewichten die M3 Gewindebohrungen hergestellt. An den Enden der Stange
Rechtecke gefeilt damit der Schlüssel passt.
Mit genügend Öl wurden beide Gewinde sehr sauber geschnitten, in Zukunft
sollte da nichts mehr klemmen. Alles wieder montiert und siehe da, ich habe
es wohl doch richtig gemacht.
Seitdem
läuft die Uhr und ich habe sie in den zwei Monaten (Januar und Februar)
nicht nachregulieren müssen. Der Drehwinkel ist beständig etwas unter 360°!
…und so steht sie nun auf ihren Sockel. Ein zweites Uhrenleben, welches
meins sicher überdauern wird.
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Schon teil demontiert, meine Ph. Hauck |
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Die defekten Teile des Scheibenpendels |
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Die Einzelteile des Scheibenpendel vor der Reinigung |
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Die erste Reparatur am Pendel, die nicht lange halten sollte! |
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Die vergoldete Lünette, an der das Werk mit einem Bajonetverschluss befestigt wird. Kluge Lösung! |
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Das Email-Zifferblatt mit goldener Beschriftung, aber ohne Hersteller- oder Verkäuferhinweis. |
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Die Bronze innen glänzt wieder. Außen ist das Gehäuse Brüniert. |
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Das Scheibenpendel, 1. Reparatur. |
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Das Gehäuse glänzt wieder. |
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Jetzt wird das Werk gebadet! |
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Der "Bajonett-Verschluß" in der Lünette. |
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Pendel zur Anschauung ins Gehäuse gestellt. |
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Federhaus und alte Zugfeder. |
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links die neue Gangfeder, rechts die "Türmchenfeder". |
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Testaufbau um den Abgleich und Testlauf des Werkes machen zu können. |
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Eine Reparatur durch Hartlöten nicht Sinnvoll, das das Gewinde im entsprechendem Gewicht auch unrettbar zerstört war. |
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Neue Gewindestange, rechts schon mit Gewinde. |
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2. Pendelreparatur: Oben die gebrochene Gewindestange; darunter die Messinghülse für das Mittelteil; Unten die neue Gewindestange mit M3 Gewinde |
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Die fertige Gewindespindel, 2. Reparatur. |
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Habe Fertig und bin auch ein bisschen Stolz auf mein Werk |
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Ein kleiner Teil meiner Drehpendeluhren. |
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Stand:
18.02.25
(c) Rolf-Dieter Reichert 2018
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