...und weil es so viel Freude macht, Uhren, die schon
aufgegeben waren oder kurz vor dem Messing-Schrott lagen, wieder das Zeigen
der Zeit bei zu bringen, hier also wieder eine Jahresuhr.
Gleich zu Anfang etwas über den (die) Hersteller der Uhr.
Das Werk wurde von der Firma Ph. Hauck, München, hergestellt. Viele dieser
Uhren waren mit einem Kompensationspendel von Andreas Huber, Hofuhrmacher in
München - diese Firma gibt es heute noch in München - versehen. Entstanden
ist gerade diese Uhr wahrscheinlich um 1907. Ph. Hauck hat seine Werke am
Anfang mit Serien-Nummern versehen. Diese Uhr hat die Nummer 300. Das
besondere ist das Kompensationspendel, dass ich gerne beschreiben möchte.
Kompensationspendel waren in den Anfangsjahren der
Jahresuhren wichtig für den genauen Gang, auch bei extremen
Temperaturschwankungen. Dazu muss man verstehen, dass vor 1920 bis 1930
herum kaum ein Haus oder gar eine Mietwohnung mit Zentralheizung
ausgestattet war. Alles basierte auf Ofenheizung und die wurde halt nur
angeheizt, wenn es den Menschen in diesen Räumen zu kühl wurde. Und dann
auch nur, wenn der Raum wirklich genutzt werden sollte. Nachts gingen dann
die Heizöfen meist aus und es wurde wieder Kalt. Die Pendelfedern der
Jahresuhren - es waren Stahlfedern - zogen sich bei Kälte zusammen, die Uhr
ging schneller und wenn es wieder warm wurde, ging die Uhr nach. Um den
Uhren einen genaueren Gang zu geben, haben dann findige Köpfe (zu denen
gehörte ganz sicher auch Andreas Huber, eben der Hofuhrmacher in München)
nachgedacht und Problemlösungen entwickelt. A. Huber hatte also ein Patent
für ein Kompensationspendel zum Einsatz bei Torsionspendel-Uhren. Dieses
Pendel machte sich die Technik der Bi-Metalle zu nutze: Zwei Metalle mit
unterschiedlichen Temperaturausdehnungen wurden zusammengeschweißt. Bei
diesem Pendel hier sind das der äußere Messingreif auf einem Stahlreif, der
am Mittelsteg offen ist. der Mittelsteg trägt zusätzlich noch Gewichte. Bei
Wärme (Uhr geht nach) drückt der Messingring gegen den Stahlreif und die
Enden nach innen und damit auch die Gewichte und der Nachgang wird
ausgeglichen. Umgekehrt öffnet sich der Reif bei Kälte und die Uhr wird
durch die nach außen drängenden Gewichte langsamer. Tolle Idee und die hat
auch wirklich funktioniert. Diese Kompensationspendel waren DER Renner,
zumal sie in dieser Art ja nur bei Uhren des "Hofuhrmachers" zu finden
waren. Andreas Huber hat übrigens nie eigene Jahresuhrwerke hergestellt. Er
hat die Werk für ALLE seine Jahresuhren von Zulieferern gekauft. Die waren
z.B. BADUF, Kienzle, Jahresuhrenfabrik und halt Ph. Hauck. Mit Hauck hatte
Huber einen Exklusivvertrag abgeschlossen, der einen Fallstrick für Ph.
Hauck bereit hielt: Sollte einer der beiden Vertragspartner den Vertrag
kündigen, so war es Ph. Hauck untersagt, weiterhin Uhren mit einer Laufzeit
von 400 Tagen her zu stellen. Daher finden wir heute z.B. Uhren mit der
Bezeichnung "Semester-Uhr" von Ph. Hauck mit einer Laufzeit von 200 Tagen.
A. Huber hatte natürlich auch Namen für seine Uhren: URANUS!
Aber nun zur Uhr. Wir kennen es ja schon. Bleibt eine
Jahresuhr mal stehen und verweigert beharrlich ihren Dienst, fängt ihr
großes Martyrium an. So auch bei der Ph. Hauck Nr. 300.
Sie hat einen teil ihres Lebens bei "Uhrendoktoren"
zugebracht, hauptsächlich in der Gegend Ruhrgebiet. Und da scheint es
"Messing-Würmer" zu geben, die mit Vorlieben die Messinggewichte Anknabbern,
Aufbohren oder Abschneiden. Die Bilder sprechen Bände, oder?
Der Messingwurm hat zugeschlagen! Und später hat Jemand
versucht, das mit den Bleigewichten wieder aus zu gleichen. Guter Wille, um
untaugliche Mittel und Unwissenheit aus zu gleichen.
...und damit nicht genug, auch gleich noch der Säger
.
Oben die Zusatzgewichte, darunter die von mir mit Blei
verfüllten Bohrungen - noch vor der endgültigen Bearbeitung und der Reif des
Kompensationspendel.
Der Säger hat übrigens auch noch an den falschen Stellen
gesägt. Denn beim Aufsetzen der Gewichte hat er feststellen müssen, das das
"A" = Avancé und das "R" = Retardé nun falsch herum aufgesetzt waren. Das
hätte ich einfach durch Umdrehen des Gewichtes beheben können, aber dann war
die gesägte Seite zu sehen. Einen Ersatz für diese Gewichte wollte meine
Bekannte nicht. Ich hatte es vorgeschlagen.
Einer der Uhr(kaputt)macher hatte dann schon den
richtigen Riecher und versuchte, das abgesägte oder Ausgebohrte Gewicht des
Pendel wieder zu ersetzen und klebte 4 Bleigewichte unter das Pendel. Leider
hat das dann auf dem Sockel der Uhr schöne Kreise hinterlassen, aber nicht
zum Funktionieren der Uhr geführt.
Dass bei dem armen Stück auch alle Teile mit Schlitz
verdreht waren, bedarf kaum noch einer Erwähnung
.
Nun ja. Übliche Prozedur war dann erst einmal Zerlegen,
US-Bad, Polieren. In der Zwischenzeit habe ich überlegt, wie ich die
Gewichte wieder ansehnlich machen könnte. Die runden Gewichte auf den Steg
sollte ich so lassen, wie meine Bekannte mir beschied. Bei den Gewichten auf
den Bi-Metall-Reifen ist mir der Gedanke gekommen, die Bohrungen mit Blei
auf zu füllen. Das hat ganz gut geklappt und die restlichen Unebenheiten
wurden mit 2K-Kleber zu gebappt und nach aushärten glatt geschliffen und mit
Goldbronze bemalt. Sieht man jetzt nur, wenn das Pendel abgenommen und
umgedreht wird
.
Hier die verfüllte Unterseite der Ringgewichte. Die wurden noch glatt
geschliffen und übermalt.
Vor dem Montieren und justieren wurde das Federhaus
geöffnet und hier folgte - fast erwartet - der nächste Schock: Die Gangfeder
passte zwar in der Höhe - 19 mm - aber die Klingendicke war statt der
angegebenen 0,42 mm eben mal 0,52 mm.
Da die neue Feder dann aber zu lang für das 38 mm Federhaus ist, hat der
Federexperte ein Stück der Feder abschneiden müssen und eine neue Öse
geschnitten. Nur war die in dem jetzt Butter weichen Teil der Feder und
durch das Aufziehen wurde natürlich auch das "Neue" Auge beschädigt. Bild
spricht Bände, oder?
Die Gangfeder, das unbekannte Wesen. Auch ein Beweis, dass es etliche
Unwissende in Sachen Uhren gibt.
Aus dem Federhaus habe ich die Feder mit der schon
eingerissenen Öse ja noch heraus bekommen. Aber aus der Hülse des
Federwinders... Oben ist meine "Ersatz-Öse" zum Auswinden zu sehen. Was man
auf diesem Bild nicht so genau sieht: Die Feder ist ein Türmchen! Ein
Beweis, dass versucht wurde, die Feder mit der Hand ins Federhaus zu
bekommen. Hoffentlich sind die Augen dabei nicht beschädigt worden!
Also noch eine Gangfeder mit den richtigen Massen in USA
bestellt und - oh Wunder - in 5 Tagen bekommen. Nach dem Einbau war dann der
Rest nur noch Routine und die Uhr wieder eine Uhr.
Das Verschließen des Federhauses ist auch so eine Sache. Hier sieht man
es deutlich: Der Schläger war mal wieder am Werk
So steht die Uhr jetzt wieder da. Ein kleines Problem
bleibt ihr aber: Das Kompensationspendel ist und bleibt ja funktionsfähig.
Dadurch wird die Uhr wohl nur bei einer konstanten Temperatur genau gehen.
Das weiß aber auch meine Bekannte und wird die Uhr so aufstellen, dass keine
großen Temperaturänderungen zu erwarten sind.
Übrigens: Die Gabellichtschranke hilft mir mit einem
Mikroprozessor "Arduino" den Gang besser und schneller ein zu stellen.