Fremde Uhren
Hier eine
Kern & Söhne Kaliber PI (Piccolo oder
Midget) aus 1958
Diese Uhr von der Firma Kern
& Söhne wurde ungefähr in 1958 hergestellt. Das Kaliber ist PI – auch KERN
Midget.
eigentlich eine
schöne Uhr,
wenn sie den auch die Zeit zeigt. Das machte diese hier nicht mehr.
Der Grund dafür war schnell
klar: Unbrauchbare Mittel zum "Ingangsetzen" verwendet. Und einer der
Vorbesitzer hat dann wohl die
Lust und vor allem die Geduld verloren und ist
mit einiger Gewalt der armen Uhr ans Werk gegangen. Die Welle vom ersten Rad
(das direkt in das Federhaus eingreift) und die Minutenwelle waren verbogen.
Beim 1. Rad hatte das zur
Folge, dass a.) Das Werk Klemmungen hatte und b.) Die Lager des 1. Rades und
des darauf folgenden 2. Rades am Trieb eingelaufen waren. Also erstmal die
Welle des 1. Rades gerichtet und auch die Minutenwelle. Beides ging
einigermaßen problemlos über die Bühne, obwohl ich Bedenken bei der Welle
des 1. Rades hatte: Die Zapfen mit 1 mm Durchmesser mussten die Kräfte beim
Richten aushalten. Aber es hat geklappt. Unproblematisch war die
Minutenwelle. Zum Glück waren ALLE Zapfen in Ordnung. Keine Rillen, Riefen
oder Absätze.
Nun wurden die Lager
aufgerieben, bis die Hartmessing-Lager mit Presspassung eingeschlagen werden
konnten und dann auf Zapfenmaß aufreiben. Das 1. und 2 Rad zwischen die
Platinen gesetzt und den Lauf kontrolliert, etwas Nachgearbeitet und die
restlichen Wellen gesetzt. Die Lager mit Uhrenöl 3 – 5 leicht geölt,
Vaseline unter das Sperrrad und die Klinke.
Das Federhaus wurde
geöffnet, die Feder gereinigt und von den Resten eines Benzinbades befreit.
Das Einsetzen der Gangfeder ist immer eine besondere Arbeit, da diese Federn
sich immer als sehr widerspenstig erweisen.
Ohne Hemmung der Test auf
Leichtgängigkeit: alles Bestens. Das Werk läuft nach einer ½ Umdrehung an
und auch bis zum Ende aus. Also keinerlei Klemmungen oder Reibungsverluste,
die den Lauf stören würden.
Jetzt die Hemmung mit dem
Stiftenanker vervollständigt (den hatte ich mir vorher schon genauer
angeschaut, ob die Stifte sauber und glatt sind).
Die neue Pendelfeder (die
alte war verbogen und hatte dazu an der oberen Montierung noch einen Knick –
mit solchen Pendelfedern bekommt man nie einen vernünftigen Gang hin),
eingebaut und das Pendel um ½ Umdrehung aus der Ruhelage bewegt.
Wie erwartet pendelte die
Uhr aus. Also den Eingriff mit Ruhe – Hebung – Fall justiert und auch den
Abfall eingestellt. Das Drehpendel dreht ca. 180 – 200°. Etwas wenig, aber
es sollte reichen.
Die Uhr lief ca. 3 Stunden,
dann stand sie.
Nochmal alle Einstellungen
überprüft, nach meiner Meinung war alles in Ordnung. Also wo blieb die
Kraft?
Jetzt half nur noch Geduld.
Das Pendel wieder ½ Umdrehung ausgelenkt und das Räderwerk genau beobachtet.
Dabei fiel mir aus dem Augenwinkel auf, dass der Mitnehmer (der vermittelt
die Kraft der Hemmung an das Drehpendel) so komisch flatterte, wie ein
Tatterich.
Und dann war die Ursache
gefunden: Die Hebeflächen des Hemmrades waren mal „bearbeitet“ worden, mit
einer Feile in Querrichtung. Das führte zu starken Riefen, über die die
Stifte des Ankers drüber Ratterten.
Also das Werk wieder zerlegt
und in einer Frustarbeit (ich lerne ja nie aus, gleich drauf geguckt – wie
ganz sicher in Zukunft – hätte mir einmal Wellen setzen erspart) habe ich
die Hebeflächen so gut es ging poliert.
Dann das Werk wieder
zusammen, die Justagen wiederholt und das Drehpendel ½ Umdrehung ausgelenkt
– jetzt geht auf einmal gar nichts mehr – FRUST!!!
Und die Erleuchtung: Ohne
Kraft von der Feder geht nichts. Also 3 Umdrehungen auf die Gangfeder,
Prozedur nochmal und siehe da, wenn man (ich) es richtig macht, geht’s.
J!!
Auf Anhieb drehte das
Drehpendel ca. 290°, an Auspendeln dachte die Uhr nicht mehr. Noch ein wenig
den Gang Justiert und jetzt zeigt sie wieder genau die Zeit.
Eine schöne Uhr, die ihrem
Besitzer wieder bestimmt viel Freude mit ihrem ruhigen Gang machen wird und
das mit einem Aufziehen sicher 400 Tage lang.
Und ich habe bei dieser Uhr mal wieder dazu
gelernt. J
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So gibt das keinen guten Gang mehr |
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Knick bei der oberen Montierung |
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..und der unteren Montierung |
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Halterung der Pendelfeder |
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Räder und Zapfen zwischen den Platinen |
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Scheibe auf dem Ansatz der Minutenwelle |
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Defektes Lager 1. Rad Triebseite |
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Welle des 1. Rades mit Knick |
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Stand:
10.09.18
(c) Rolf-Dieter Reichert 2018
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