Janinas HERMLE wieder zum Leben erweckt.
HERMLE Jahresuhr
Diese Uhr hat ein mechanisches 400-Tage-Werk. Sie ist eine "Echte" Jahresuhr, Baujahr 1957.
Die Uhr ist komplett in Messing gearbeitet
und bis auf die Werkplatinen verchromt. Sehr schön. Auf der hinteren
Werkplatine befinden sich nur die Herstellermarke FHS mit Ziffernblatt und
Germany, die Marke für das Kaliber fehlt, die Platinen entsprechen aber dem
Kaliber 921-000. Ebenso fehlt die Marke für das
Herstellungsjahr. Diese Faktoren lassen darauf schließen, dass das Baujahr
so um 1957 herum liegt.
Das Ziffernblatt hat
römische Stundenziffern. Unter der 12 steht die Marke "Hermle", und unter der
6 "Germany" - siehe dazu
auch meine Einleitung "Geschichte des Made in Germany".
Diese Uhr muss mit drei Stellschrauben, die sich am Boden der Uhr
befinden, genau in die "Waage" gestellt werden, damit sie einwandfrei
funktioniert. Das ist immer dann notwendig, wenn der Standort mal gewechselt
wird. Zum Transport kann auch das Drehpendel mit einem Hebel gesichert
werden, damit die sehr empfindliche Drehpendelfeder (wird manchmal auch als
"Faden" bezeichnet) nicht beschädigt wird.
Diese Teile lagen der
Uhr in einer Tüte bei, da der Vorbesitzer diese nicht mehr anbringen konnte
(die Pendelfeder war zu kurz, dass Pendel schwebte so 4 cm über der
Bodenplatte).
Diese Uhr war in einem traurigen Zustand, als sie
mir mit der Bitte um Reparatur zugesendet wurde. Eigentlich waren es ja die
bekannten Probleme einer Jahresuhr, die einem Laien in die Hände gefallen
war:
Total veröltes Werk
Falsche Pendelfeder
Die Werkfeder total verklebt.
Also frisch ans Werk und
zerlegen. Die einzelnen Teile werden der bewährten Reinigung im
Ultraschallbad zugeführt. Die Pendelfeder wurde
ausgemessen und gleich eine Neue bestellt. Das ist alles kein Geheimnise
mehr und flutscht so als Routine nebenbei. Die fehlenden Montierungen konnte ich auch
besorgen, so das nach dem Reinigen an den Zusammenbau gedacht werden konnte.
Es gab keine eingelaufenen Lager und auch die Zapften waren bestens in
Ordnung. Anscheinend ist die Uhr nicht lange gelaufen und stand die meiste
Zeit ihres bisherigen Uhrenleben nur im Schrank. Bei dieser Uhr wurde auch
die Werkfeder aus dem Federhaus genommen (WARNUNG an ambitionierte
Laien!!!!!) und gereinigt. Das nächste Problem: Wie bekomme ich diese
störrische Feder wieder in ihr Haus? Ohne Federwinder kostet das Nerven und
manch kaputte Fingerkuppe! Ich hab's dennoch geschafft, aber bei der
nächsten Feder kommt ein Federwinder ins Haus!
Jetzt endlich, nach
diesen Arbeiten,
drehte sich das Pendel wieder. Normal sollte die Rotation ca. 270°
betragen, einige Justagen und das passt (dachte ich). Problem 1: Die Uhr
"Galoppiert" - Die Hemmung überspringt in der Mittelstellung einige
Zähne
des Ankerrades. Hm. Ruhe - Fall - Hebung nochmal genau beobachtet (normal
wird da ja nichts dran geändert, dachte ich). Der Eingriff der Grahamhemmung
war zu gering, konnte aber mit der Lagerung des Anker nicht reguliert
werden, der war schon am Endpunkt. Also den Anker wieder ausgebaut und die
verschiebbaren Paletten neu justiert. Jetzt war das "Flattern" endlich weg.
Nun machte ich mich
daran, den Gang zu regulieren. Problem 2: Die Uhr war zu schnell, in 60
Minuten ein Vorgang von über 480 Sekunden = 8 Minuten. Das ist mit dem
Pendel nicht mehr zu regulieren. Da die Länge der Pendelfeder auch nicht
beliebig vergrößert werden konnte (da sind die Grenzen durch die Bodenplatte
ja vorgegeben und schließlich, Dranschneiden geht ja bekanntlich auch
nicht), also eine etwas schwächere Pendelfeder eingebaut.
Gut, der Schnellgang ist
raus, Problem 3: Aber dafür jetzt fast um diesen Wert zu langsam. Hm.
Nochmal alles genau beobachtet und überprüft, und als Übeltäter das
Drehpendel entlarvt. Hier hatte der Vorreparateur versucht, durch verbiegen
der Arme, den Gang in seinem Sinn zu beeinflussen. Messing biegen ist so
eine Sache. Nach fest kommt hier fast immer Ab! Also dieses untaugliche
Mittel aus meinen Gedanken gestrichen und nach Alternativen gesucht. Die
erste Pendelfeder wieder aus den Fundus geholt (.0023" = 0,058mm) und mit
Schleifpapier 1200 bearbeitet. Das war eine langwierige Angelegenheit, da
immer wieder probiert und geprüft werden muss. Dann endlich in der
Mittelstellung des Pendel, einen Gang von +3 Minuten in 24 Stunden erreicht.
Das kann jetzt mit dem Pendel gut reguliert werden.
Jetzt ist der Gang seit
Tagen sehr gut und genau. Diese Uhr hat mir gezeigt, dass auch im Alter
Lernen und Geduld gefragt sind, um solche Werke
wieder instand zu setzen, zumal ich in diesen Sachen ja ein reiner
Autodidakt bin.
Aber eins lernt man (ich) dabei: Ruhe und Ausdauer. Wenn es nicht gleich
klappt, einfach mal ein Buch zur Hand nehmen und sich ablenken lassen. Wenn
man (ich) dann wieder Muße und Zeit (Ja, ja, Rentner und Zeit) habe, wieder
daran setzen und es neu versuchen.
Und hier ein paar Bilder.
Die Uhr ist in der Zwischenzeit wieder bei ihrer Besitzerin.
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Motorenöl an einem Uhrwerk! |
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Jetzt siehst schon besser aus |
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Kein Öl, da gehört auch nichts hin. |
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Der Anker nach der Justage der Paletten |
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Die falsche Pendelfeder mit falschen Montierungen |
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So sah das Werk vorher aus |
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So ist der Abstand richtig |
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Jetzt kann sie (die Uhr) wieder zurück zur Besitzerin. Viel Freude an diesem
schönen Stück. |
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Stand:
10.09.18
(c) Rolf-Dieter Reichert 2018
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