Junghans Tischuhr mit Elektrogong
Diese Uhr
gab keinen Ton von sich.
Da
schlägt eine Mail im Postkasten auf: Ich habe Ihre Seite im Netz gefunden
und gleich mal eine Frage: Eine alte Dame hat mir eine Junghans Elektrogong
auf den Tisch gestellt mit der Frage „können Sie da was machen…“
Also, da muss
ich feststellen, dass anscheinend noch mehr Menschen mit demselben
Sprachfehler wie ich…
Also gut, die
Vorgeschichte. Im Uhrenforum und auf meiner Homepage sind ja diverse
Reparaturen an Uhren beschrieben, die ich als Hobbyschrauber in den Jahren
verfasst habe. Irgendwo in den Analen findet sich da auch ein Bericht über
meinen Junghans Elektrogong, den ich in ein anderes Gehäuse verpflanzt habe.
Ich hatte nur das Werk.
Diesen
Bericht findet ein Kollege vom Repair-Café im Saarland (ja, anscheinend
füllt mich das Heimatliche Uhrenschrauben nicht aus, ich bringe auch andere
Sachen wieder zu funktionieren. Und zwar für das Repair-Café Kreis AS) und
der fragt nun den berüchtigten Satz, der immer meinen Sprachfehler auf den
Plan ruft!
Nach ein paar
Tagen also ein Paket. Nichts Ungewöhnliches bei mir. Inhalt: eine Junghans
elektro-gong, die nicht mehr Gongt und auch nicht die Zeit zählt.
Fehlerdiagnose
des Kollegen: Da scheint ein Draht ab zu sein, da gehe ich aber nicht dran!
Na gut. Schaun mer mol. Stimmt, der Draht ist ab.
Jetzt zum
Verständnis etwas über dieses Werk. In Zusammenarbeit mit Diehl entwickelte
Junghans einen Motoraufzug für Uhrwerke. Das Werk W.701.04.
(Herstellungsmarke 7II – was immer das auch heißen soll, ich kenne mich da
nicht aus) funktionierte in etwa so: Die Gangfeder ist eine Federsprirale
zwischen zwei Zahnrädern. Das eine treibt das Getriebe und die hängende
Unruhe, das Ander (aus Kunststoff) wird über eine Schnecke direkt vom Motor
angetrieben. Betriebsspannung: 1,1 – 1,5 Volt.
Der
Kraftspeicher, also die Federspirale hat eine Vorspannung von ca. 7 vollen
Umdrehungen des Kuststoffrades. Dann muss ein Stift in die Mitnehmerscheibe
gesetzt werden. Läuft nun das Werk ab, bewegt sich ein Arm auf dem Treibrad.
Nach ca. dreiviertel Umdrehung nimmt der Arm den Stift mit. In seiner
weiteren Bewegung läuft der Stift auf eine Schräge auf, deren Arm den
Ausrückhebel der Kollektor-Bürsten im Motor betätigt. Hat sich jetzt der
Stift soweit bewegt, dass er vom Ende dieses Armes abfällt, wird durch ein
kleines Gegengewicht der Arm nach oben gedrückt und die Bürsten haben
Kontakt mit dem Kollektor, der Motor läuft an. Nach ca. einer Umdrehung des
Aufzugsrades wird der Stift auf den Ausrückhebel, die Bürsten heben vom
Kollektor ab und der Motor bleibt stehen. Dieser Vorgang wiederholt sich
alle 5 Minuten. Das Rechen-Schlagwerk wird ebenfalls aufgezogen, wenn das
Gangwerk aufgezogen wird. Der Kraftspeicher des Schlagwerkes funktioniert
wie ein Automatikwerk einer Armbanduhr mit einer durchrutschenden Feder,
wenn diese voll aufgezogen ist. Um Fehlerschläge nach Stillstand des Werkes
zu umgehen, kann das Schlagwerk durch einen eigenen Knopf aufgezogen werden,
und zwar nur das Schlagwerk. Die Batterie, eine LR20, reicht für ca. 2 – 3
Jahre. Die Gangreserve des Werkes beträgt ca. 5 Minuten.
Zur Uhr
zurück: Der „Appene Draht“ hatte leider einen anderen Grund. Die Batterie
sitzt im Gehäuse über dem Werk. Beim auslaufen gelang nun die Lauge (bei
Batterien niemals Säure) der Schwerkraft folgend auch in das Uhrwerk und
läuft über den kleinen Motor. Und hier hat die Brühe ganz Arbeit geleistet:
den Kollektor und die Bürsten zerfressen! Das bedeutet aber auch, dass die
Besitzerin, als die Uhr vor Jahren einfach stehen blieb, diese einfach auf
der Kommode als Staffage hat stehen lassen. Nur so konnten die Schäden am
Motor entstanden sein. Beweis dafür war der nicht mehr vorhandene minus-pol
im Batteriehalter, der aber schön sauber gemacht wurde.
Der größte
Feind eines Uhrenreparateurs ist der, welcher vor ihm versuchte die Uhr zu
reparieren!
Da ich also
schon zugesagt hatte, mich um die Uhr zu kümmern und ich nur sehr ungerne
und selten was ohne Instandsetzung wieder zurückgeben, habe ich Bücher und
Unterlagen gewälzt und bin hier auf die Zusammenarbeit Diehl und Junghans
gestoßen. Die Suche nach einem Motor als Ersatzteil Junghans verlief ins
Leere. Auch Kontakte zu anderen Kollegen und bekannten Uhrmachern liefen
sich tot. Aber Diehl war das Lösungswort! Diehl? Ja, da habe ich noch was
hier rumliegen. Können sie ja mal schauen, vielleicht… Es war was dabei,
sogar aus einem NOS!
Lange Rede,
kurzer Sinn: Jetzt läuft die Junghans elektro-gong wieder. Zumindest mein
Repair-Café-Kollege im Saarland und ich sind es zufrieden. Das sich die alte
Dame über ihre ach so geliebte Uhr lange freuen wird, wage ich zu
bezweifeln! Macht das Ding doch nicht nur beim Schlagen einen barbarischen
Lärm! Vor 50 Jahren war man (frau) das von Uhren nicht anders gewohnt, aber
heute in einer 2-Zimmer Wohnung? Na ja. Wir haben getan, was wir konnten.
Und wichtig ist doch, dass eine Uhr weniger auf dem Müll landet, oder?
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Junghans electro-gong
So sieht diese hübsche Tischuhr eigentlich aus, wenn sie denn funktioniert! |
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Nur ein Draht ab?
Diese Ansicht lies noch nichts schlimmes vermuten... |
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Bürsten?
Hier hat die Batterielauge ganze Arbeit geleistet. |
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Motor geöffnet
Auch der Kollektor ist stark beschädigt. Meine Diagnose: Totalschaden! |
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Hersteller-Marke
Hier die Werkbezeichnung W.701.04 7II Junghans |
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Das Werk wieder komplett
Der Ersatzmotor - DIEHL - tut seine Arbeit. |
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TIMETRAX Modell 185
Gute Dienste zur Regulierung! |
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Der TIMETRAX 185 ist für Großuhren entwickelt worden.
Die Gang-Justage ist jetzt eine Angelegenheit von Minuten! |
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Ich habe fertig!
So sieht die Uhr jetzt aus |
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Stand:
06.08.23
(c) Rolf-Dieter Reichert 2018
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